Der Haufen, über den alles geworfen wird

Ich fühle mich in etwa so, wie ich mich genau vor einem Jahr gefühlt habe: Blick auf die Zukunft, das Gefühl, alles noch vor sich zu haben. Leicht verwirrt. Nein, durch und durch verwirrt. Die Frage nach dem Was hat sich eigentlich geklärt. Jetzt kommt die viel wichtigere Frage auf: Wie?
Ich weiß, was ich will. Doch ich habe inzwischen keinen blassen Schimmer mehr davon, wie der Weg dorthin aussehen soll. Dabei habe ich die Startlinie bereits überquert. Doch ich komme an Schildern und Abzweigungen vorbei, die ich aus der Ferne nicht sehen konnte. Ich war naiv, habe mir alles einfacher vorgestellt als es ist. Der Nachteil eines geisteswissenschaftlichen Studiums würde ich sagen.
Mir ist klar geworden, dass ein Leben nicht geradlinig verläuft. Es gibt keinen perfekten Weg.
Selbst ein geschniegelter Lebenslauf ist im Detail chaotisch.
Das Problem sind die unendlichen Möglichkeiten. Ich liebe mein Studium, meine Uni und meine Freunde, aber es gibt noch so viel mehr da draußen. Ich würde am liebsten ein Nebenfach und ein Zweitstudium beginnen (edit: habe ich inzwischen sogar), gleichzeitig noch eine Weltreise machen, mich mehr sozial engagieren, für ein Praktikum oder gerne auch einfach so mal nach Paris, New York, Tel Aviv, Singapur, Kapstadt... Ein Leben reicht einfach nicht aus. Und wenn ich daran denke, wie ich teilweise meine Zeit verschwende, damit, irgendwelchen Menschen nachzulaufen, die mich nicht in ihrem Leben haben wollen, oder damit, der Vergangenheit nachzuhängen.
Ist das wirklich verschwendete Lebenszeit? Oder ist das einfach der Fluch des Menschseins?
Bis vor kurzem war mein einziges Ziel, dahin zu kommen, wo ich jetzt bin. Ich hatte einen Plan vor Augen, den erfolgreich umgesetzt und jetzt stehe ich hier, planlos und verwirrt. Ich bin in einer Phase, aus der (hoffentlich) neue Ziele hervorgehen, aber ich darf meine Träume nicht aus den Augen verlieren. Denn was mich wirklich traurig macht, ist, wenn Menschen ihre Träume vergessen und ein Leben in Komfortzonen führen und das jeden Tag gleich abläuft. Das möchte ich auf keinen Fall. Und deshalb muss ich mich regelmäßig daran erinnern. Denn es ist beinahe meine größte Angst, kein erfülltes Leben zu führen. Ich weiß nicht, woher diese Angst kommt, aber wenn ich in meine Zukunft blicke und dort nur Ungewissheit vor mir liegt, spüre ich einen Druck, diese Leere unbedingt füllen zu müssen.

Edit: Dieser Text ist vor ein paar Monaten entstanden. Hat sich inzwischen etwas geändert? Nicht wirklich. Aber ich habe gerade nicht so viel Zeit, um solchen Gedanken nachzuhängen. Gerade ist ´machen´ angesagt, nicht ´denken´.

Malta (St. Peters Pool), November 2018