Das Studentenleben

Das Studentenleben ist voller Klischees. Ich hatte eine ganz konkrete Vorstellung davon, die sich dann eigentlich auch genau so bewahrheitet hat. Ich liebe es. Ich war mir vor Studienantritt unsicher, ob ich ein Leben führen will, dass von so vielen Menschen geführt wird. Aber es war definitiv die richtige Entscheidung. Ich bin die geborene Studentin, dass muss ich mal so sagen. Das Studentenleben besteht natürlich nicht nur aus Partys, Alkohol und Prokrastination.
Manchmal kommt es auch vor, dass man um Mitternacht schwimmen geht. Mit Freunden neue Traditionen entdeckt. Auf dem Fahrrad vom Sommerregen überrascht wird und durch riesige Pfützen fahren kann. Spontan einen Ausflug zum Kuchen essen macht.
Ich erinnere mich daran, wie wir gefahren sind. Es war schon nach Mitternacht und unsere spontane Idee war es, schwimmen zu gehen. Mit den Fahrrädern zu viert durch die einsamen Straßen im Schutze der Dunkelheit. Der Sternenhimmel über uns. Wie wir uns bis auf die Unterwäsche ausgezogen haben und in das stille Wasser gerannt sind. Es zuerst kalt war und dann nicht mehr. Wie er uns davor warnte, ihn nass zu spritzen und wir dann aber genau das taten und wir am Ende alle total nass waren und nicht mehr aufhören konnten zu lachen. Unseren Kopf in den Nacken legten und den Schleier der Milchstraße bewunderten. Wie wir uns kichernd wieder anzogen, uns ins Gras legten und einfach nur die Sterne betrachteten. Wir konnten sogar Sternschnuppen sehen. Bis es kalt wurde und wir uns von dem magischen Moment verabschiedeten, wir ihn alle aber in unsere Erinnerungsschatzkiste einbrannten. Und dann zu Hause noch ewig redeten bis es spät (oder wieder früh) war und wir erst einschliefen als die Vögel schon wieder anfingen zu singen.



Tanz im Regen

Wegen des starken Regens konnte sie durch die Windschutzscheibe kaum den Verkehr erkennen. Die Welt draußen sah aus wie verlaufene Wasserfarben auf Papier. Eine verschwommene Mischung aus Grau und Rot. Bei jedem Schlagloch klirrten die Glasflaschen im Kofferraum. Sie fuhr auf eine Ampel zu, die gerade von Grün auf Orange schaltete. "Los, fahr!", rief er neben ihr genervt, doch sie war schon am bremsen. "Boah, die hättest du doch locker noch gekriegt", stöhnte er.
"Siehst du nicht, dass die Straße unter Wasser steht? Schonmal was von Aquaplaning gehört?", entgegnete sie ebenso genervt. "Jetzt übertreibst du schon wieder", antwortete er vorwurfsvoll. "Okay, würdest du jetzt lieber verletzt im Graben liegen als hier 2 Minuten im Trockenen auf Grün zu warten?", blaffte sie ihn wieder an.
"Ich will einfach nur nach Hause", murrte er.
"Oh, ist es etwa so schlimm, mit mir einkaufen zu gehen?"
"Was, wie kommst du denn darauf? Nein ich liebe es über alles, wenn ich mich für alles, was ich in den Einkaufswagen lege, vor dir rechtfertigen muss", sagte er mit deutlich sarkastischem Unterton.
"Ich will doch nur, dass du ein kleines bisschen mehr auf deine Gesundheit achtest."
"Und ich will mir nicht alles verbieten lassen, was ich mag"
"Okay, ich diskutiere jetzt nicht nochmal mit dir darüber", rief sie dazwischen.
"Ich hab auch keine Lust mehr", fauchte er.
Die Ampel schaltete auf Grün. Niemand sagte mehr etwas, als sie losfuhr. Und es blieb erstickend still, bis sie endlich an dem Parkplatz vor ihrer Wohnung vorfuhren. Der Parkplatz war bis auf eine kleine Lücke ganz hinten voll besetzt.
"Toll, jetzt dürfen wir alles über den ganzen Parkplatz schleppen", beschwerte er sich.
"Ja, dafür kann ich doch nichts", seufzte sie entnervt.
Sie stellte das Auto ab und kaum hatte sie den Zündschlüssel gezogen, war er schon ausgestiegen und knallte die Tür hinter sich zu.
Sie nahm sich einen kurzen Moment, um sich anzulehnen, die Augen zu schließen und tief durchzuatmen. Er öffnete den Kofferraum und hantierte mit den Einkaufstaschen herum. "Hey, kommst du und hilfst mir mal oder muss ich wieder alles alleine machen?", bellte er durch das Auto.
Sie kniff die Augen zusammen und schürzte die Lippen. Dann stieg sie aus.
"Du lässt mich hier buchstäblich im Regen stehen", begrüßte er sie als sie um das Auto zu ihm gelaufen kam.
"Lukas, bitte hör auf", sagte sie leise.
Wegen des strömenden Regens fiel es nicht auf, dass ihr Tränen die Wangen hinunterliefen.
Jeder griff sich eine Einkaufstasche, bevor sie den Kofferraum zuklappte und ihr Auto zuschloss. Währenddessen lief er schon voraus zur Haustür. Sie ging ein paar Schritte hinter ihm und bemühte sich nicht, aufzuholen. Stattdessen versuchte sie krampfhaft, ein Schluchzen zu unterdrücken. Wenn sie im Haus waren, würde man sehen, dass sie weinte und das wollte sie auf jeden Fall verhindern.
Sie war so mit sich selber beschäftigt, dass sie gar nicht bemerkte, wie der Regen die Papiertüte nach und nach durchweichte bis diese schließlich an der Seite aufriss und plötzlich alles auf den nassen Asphaltboden krachte und sie nur noch die Henkel in den Händen hielt. "Boah scheiße!", entfuhr es ihr lauter und verzweifelter, als ihr lieb war. Er drehte sich um. "Nein mann, was machst du denn?", schrie er. "Ich mach gar nichts, verdammt, kannst du mal kurz nicht so ignorant sein und mir mit dem Mist hier helfen?", brüllte sie. Das Schluchzen ließ sich nicht mehr unterdrücken und sie sackte neben der auslaufenden Milch auf dem Boden zusammen und vergrub ihr Gesicht in den nassen Händen, die abgerissenen Henkel fielen dabei auf ihren Schoß.
Nach ein paar Sekunden spürte sie, wie er sich vor ihr hinkniete und ihren Kopf in seine großen Hände nahm, um sie dann ganz sanft auf die Stirn zu küssen. Sie schlang ihre Arme um ihn und er hielt sie fest. Und so saßen sie einige Minuten da, der Regen prasselte auf sie herab und ihr Schluchzen ließ langsam nach.
"Komm hoch", flüsterte er ihr irgendwann zu und sie erhoben sich zusammen, immer noch eng umschlungen und als sie wieder aufrecht standen, drückte er ihr nochmal einen Kuss auf den Kopf. Sie begannen, hin und her zu wiegen und schließlich zu tanzen. Als er sich von ihr löste, um sie zu drehen, vertrieb er damit die letzten Tränen und sie kicherte, während sie sich etwas unbeholfen um ihre eigene Achse drehte. Er ließ sie noch einen Schritt von ihm entfernen, bevor er sie wieder an sich ran holte, sie hochhob und durch die Luft wirbelte. Die kreischte kurz auf und warf dann den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und spürte die einzelnen Regentropfen auf ihrem geröteten Gesicht und wie sie die Wut wegwuschen. Als er sie wieder runterließ, musste auch er lachen. Sie sah ihm in die Augen und zog dann mit ihren Händen seinen Kopf zu sich heran, um ihn zu küssen.
Und sie verlor sich mit ihm darin, zusammen vergaßen sie, wer und wo sie waren. Alles was zählte war, dass sie zusammen waren.


Das Spiel des Lebens

Semesterferien.
Die letzte Hausarbeit auf den letzen Drücker abgegeben, alle Noten erhalten, und dann, als all die Last abgefallen war, hat sich mein Körper erlaubt, krank zu werden.
Was mich dazu inspiriert hat, mir zu erlauben, mal wieder gar nichts zu tun. Beziehungsweise, mir Zeit nur für mich zu nehmen. Bücher zu lesen. Nachzudenken. Solche Dinge.
Und nachdem ich jetzt einen kleinen Stapel intellektueller Literatur abgearbeitet habe, gönne ich mir zur Zeit einen richtig fetten Fantasy-Schmöker, der angeblich Harry Potter für Erwachsene sein soll. Nicht, dass ich erwachsen wäre, aber sobald Harry Potter erwähnt wird, bin ich dabei. Jetzt schmökere ich mich also durch über 800 Seiten und es ist toll, und ich bin froh, dass es so dick ist, weil ich dann länger Spaß daran habe.
Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich jetzt, wo ich ja "schon" 19 bin, keine Jugendliteratur mehr lesen darf. Was natürlich vollkommener Quatsch ist. Immer diese Label, in denen man entweder drin steckt oder nicht rein kommt.
Damit habe ich mir jetzt eine gute Überleitung für meine Gedanken geschaffen, die ich gerne teilen möchte. Bevor ich mir nämlich den Fantasy-Schmöker gegönnt habe, hat mich unter anderem ein eher spirituelles Buch beschäftigt, welches vom Bewusstsein und der Frage "Wer bin Ich?" handelte. Sehr spannend und inspirierend.
Ich mag den Gedanken, eine Seele zu sein, die gerade eine menschliche Erfahrung macht.
Und irgendwie möchte ich mich auch gerade deshalb nicht allzu sehr von der Menschlichkeit entfernen. Es gibt ja diese Menschen, die das "Mensch-Sein" gerne überwinden wollen. Klar, jedem das seine, aber ich für meinen Teil, möchte diese Erfahrung auch gerne auskosten. Wer weiß, wie weit unsere Existenz über das menschliche Leben und Dasein hinausgeht. Vielleicht ist das Leben auf dieser Erde ja nur ein kurzer Abschnitt auf einer viel größeren Reise. Vielleicht auch nicht. Vielleicht ist alles auch vergänglich. Aber aus beiden Perspektiven macht es für mich Sinn, dieses Leben als besondere Erfahrung wertzuschätzen und zu genießen.
Ich weiß nicht, auf welche Art und Weise ich nach diesem Leben existieren werde. Ob ich danach jemals wieder in einem menschlichen Körper sein werde. Und deshalb möchte ich gerne meine Menschlichkeit genießen, mit all den Sorgen und Beschwerden, die sie mit sich bringt.
Da sind Gefühle wie Liebe, Glückseligkeit und Unbeschwertheit, aber auch Eifersucht, Faulheit und Gier. All das gehört zu der Erfahrung dazu.
Und irgendwie wäre es für mich als spirituelles Wesen doch ein cooles Experiment, eine Spielerei, an und mit meinem Körper und Geist zu arbeiten. Und diese Welt zu erkunden, auf der ich zu Gast bin. Zu sehen, wozu ich in der Lage bin und was solch ein Leben alles zu bieten hat. Diese Sichtweise würde ich gerne verinnerlichen. Denn sie erinnert mich daran, das Leben nicht allzu ernst zu nehmen. Beziehungsweise die Gesellschaft, von der man sich doch gerne unbewusst unterdrücken lässt.
Denn aus diesem Leben, dieser Erfahrung, kommen wir alle ohnehin nicht lebend raus.
Wozu sollte ich mich also verstecken?