Das hätte nicht sein müssen, liebes Universum

Kurz vor dem Ziel.
Mir war schon klar, dass nicht alles perfekt laufen wird, aber die wichtigsten Sachen waren geregelt. Ich konnte schon auf einige Erfolge zurückblicken, hatte einiges erkämpft, Rückschläge verkraftet, tolle Leute kennengelernt und vor allem viel Arbeit, Energie und Herzblut investiert.
Nächste Woche sollte sich meine einjährige Arbeit dann endlich in einem tollen 2-tägigen Karriere-Event für meine Kommiliton*innen zeigen. Über 60 Leute steckten mit drin, außerdem eine sehr hohe Geldsumme und vor allem verdammt viel Hingabe.
Es war alles vorbereitet. Wir hatten alles durchgeplant. Unsere Rede geschrieben. Eigene Merch-Artikel designt und bestellt. Es war beinahe zu schön um wahr zu sein.
Dieses Projekt war mein Leben. Die Uni war seit Wochen nur noch nebensächlich. Die Rolle als Projektleitung hat mich definiert. Schon viel zu lange. Wenn ich an mir selbst gezweifelt habe und eine social-anxiety-Phase hatte, habe ich mir immer so vor Augen geführt, dass ich stolz auf mich sein kann, dass ich es mir selbst bewiesen habe. Und jetzt wollte ich auch allen anderen zeigen, was ich kann.
Und dann kam Corona. Ich kann das C-Wort nicht mehr hören.
Eine Woche vor dem Event wurde alles abgesagt. Die Infektionsgefahr sei zu hoch.
Das war einer der schlimmsten Tage meines Lebens. Die letzte Woche hat sich so surreal angefühlt, wie ein wahr gewordener Alptraum.
Ich weiß, letztendlich ist es nur eine Veranstaltung - und es war mit Sicherheit die verantwortungsvollere Entscheidung. Aber das Projekt hat so eine große Bedeutung für mich gehabt.
Ich habe mich noch nie so klein und machtlos gefühlt. Letztendlich ist es nicht der Virus, der die ganze Welt lahmlegt, sondern die Panik, die sich breit macht.
Wir betreiben Hamsterkäufe, weil es alle anderen auch tun und sagen Veranstaltungen ab, weil überall Veranstaltungen abgesagt werden.
Niemand interessiert sich mehr für Menschen, die an Grenzen getötet werden, oder Diskriminierung und Rassismus und alle die anderen Ungerechtigkeiten. Es geht nur noch um dieses Virus, immer und überall.
Wie, verdammt nochmal, ist das alles passiert?
Alle sagen mir, dass ich an dieser Erfahrung wachsen werde und gestärkt daraus hervorgehe und das ist mir auch klar, aber wenn mir das Universum eine Lektion erteilen will, hätte dafür bestimmt auch etwas weniger Krasses gereicht, als mir ein Jahr Arbeit zu nehmen.

Ich will nicht egoistisch klingen. Es geht bei der ganzen Sache natürlich nicht um mich.
Aber das war ein Schlag in die Magengrube. Es tut verdammt weh und ich bin noch etwas benommen und taumele jetzt durch die Realität.
2020 hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt.
Setze ich mich jetzt einfach wieder an meine Uni-Skripte und tue so, als wäre das alles nicht passiert?
Erkenne ich irgendwann den größeren Sinn?
Was wird noch alles passieren?

Seebühne, Bregenz, März 2020