Ist Selbstliebe überhaupt möglich?

Selbstliebe ist zur Zeit ja ein großes Thema auf Social Media. So komme auch ich nicht drum herum, darüber nachzudenken, wie ich eigentlich zu mir selbst stehe. Man verbringt sehr viel Zeit mit sich selbst. Man kann sich keine Pause von sich selbst nehmen. So gesehen wäre es ja schlimm, ständig mit jemandem zusammen zu sein, den man nicht ausstehen kann. Das mindeste ist, sich selbst zu akzeptieren. 
Ich finde, Selbstliebe ist ein großes Ziel, das man nicht einfach und schnell erreichen kann. Nur weil man regelmäßig Sport macht und dadurch eine gute Figur hat, führt das nicht automatisch zu mehr Selbstliebe (meiner Meinung nach). 
Bei mir ist es so: Mit meinem Körper bin ich im großen und ganzen zufrieden. Das ein oder andere gefällt mir nicht, aber das habe ich inzwischen hingenommen. Mir ist irgendwann bewusst geworden, wie viel mein Körper rund um die Uhr leistet, um mich gesund und am leben zu halten und deshalb ist es vollkommen okay, wenn meine Augenbrauen nicht von Natur aus nach heutigen Schönheit-Maßstäben geformt sind. 
Was ich mir selbst teilweise aber sehr übel nehme, ist der ein oder andere Charakterzug. Manchmal liege ich abends im Bett, kann nicht einschlafen und denke dann an Dinge zurück, die ich vor Jahren getan oder gesagt habe und hasse mich dann dafür, dass ich damals nicht anders mit der Situation umgegangen bin. Am schlimmsten ist es mit Dingen, die ich betrunken getan habe. An die ich mich nichtmal erinnere, aber erzählt bekommen habe. Da gibt es schon ein paar Aktionen, die mir unglaublich peinlich sind. Obwohl mir eigentlich klar ist, dass an den Abenden jeder betrunken war, dumme Sachen gemacht hat und sich jetzt nicht mehr daran erinnern kann. 
Wo ich auch sehr selbstkritisch bin, ist, wenn ich irgendetwas verpeilt habe. Das kommt nicht so oft vor, aber einmal habe ich vor einer Veranstaltung zum Beispiel die Eintrittskarte vergessen und musste nochmal mit dem Fahrrad nach Hause fahren. Den ganzen Weg über habe ich mich gefragt, wie jemand so dumm sein kann. 
Dabei passiert sowas doch jedem Mal. 
Ich bin aber ein Mensch, der auf sich selbst stolz ist. Wenn ich etwas erreicht habe, klopfe ich mir auch auf die Schulter. Aber ob ich jemals dazu in der Lage sein werde, alle Seiten an mir wirklich zu lieben, bezweifle ich. Ich arbeite erstmal daran, sie zu akzeptieren. Ich glaube, damit ist schon ein großer Schritt getan. Und ich achte darauf, wie ich mit mir selbst umgehe und auch, wie ich mit mir selbst "spreche". Wenn ich mich morgens nach dem Aufstehen das erste Mal im Spiegel sehe, denke ich nicht mehr: Oh Gott wie siehst du denn aus; sondern (mit einem Zwinkern): "Coole Frisur". Und manchmal muss ich dann lachen. 
Ja, ich kann immerhin über mich selber lachen. Mit Humor ist das Leben schon um einiges leichter.
Mich würde aber mal interessieren, woran es liegt, dass man selbst sein größter Kritiker ist. Ist das vielleicht Evolutionsbedingt? Hat das einen genetischen Ursprung? Waren die Menschen der Steinzeit auch selbstkritisch? Damals gab es immerhin keine Spiegel. 

Featuring Frida Kahlo